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Die Macht der Furcht

Die Macht der Furcht

Die Angst gehört zum Menschen wie das Amen in die Kirche. Sie bewahrt uns vor allzu riskanten Unterfangen und war für die Evolution entscheidend. In der Politik ist sie aber ein Hemmschuh.

Entscheidend war sie zum Beispiel dann, wenn sich unsere Vorfahren vor einem Bären in Schutz brachten. Nur werden wir Menschen heute kaum mehr von Bären gejagt. Unsere Furcht muss sich also anders Bahn brechen als durch die Flucht vor wilden Tieren.

Angst muss aber auch nicht zwingend zu erhöhter Anspannung, Adrenalinausschüttung und regelrechten Energieschüben führen. Es gibt auch die umgekehrte Reaktion, nämlich wenn man von der Angst förmlich gelähmt wird und wie das Kaninchen vor der Schlange in Schockstarre verfällt.

Was hat das alles mit Politik zu tun? Sehr viel. Gemäss dem englischen Philosophen und Staatstheoretiker Thomas Hobbes unterwerfen sich die Menschen staatlicher Macht, weil sie den Tod fürchten und sich ein bequemes Leben wünschen. Angst ist also letztlich die Motivation für Politik.

In der Schweiz ist diese Vorstellung eigentlich absurd. Denn kaum einem anderen Land geht es so gut, mit tiefer Arbeitslosigkeit, einem hohen Wohlstand, einem funktionierenden Sozialsystem, einer intakten Landschaft und einer direkten Demokratie, dank der jeder Bürger mehrmals im Jahr sein Votum abgeben und Korrekturen in der Politik anbringen kann.

Aber je besser es einer Gesellschaft geht, umso grösser wird die Angst, etwas zu verlieren oder teilen zu müssen. Und bei einem so hohen Lebensstandard wird es auch immer schwieriger, diesen weiter zu steigern. Dies verunsichert, erst recht in einer immer schnelleren, vernetzteren und kompetitiveren Welt.

Lange Zeit schlugen rechtskonservative Kreise aus diesen Sorgen ihren Profit. Sie bewirtschafteten Ängste gegenüber Ausländern, der EU, Flüchtlingen oder fremden Richtern. Doch mittlerweile machten sie anderen Ängsten Platz. Zurzeit ist eher die Furcht vor dem Klimakollaps hoch im Kurs oder die Angst vor Strahlungen durch die neue Mobilfunkttechnologie 5G. Jetzt sind es grüne Parteien, die davon profitieren, den Teufel einseitig an die Wand zu malen.

Bezeichnend dafür waren die letzten Frühling stattgefundenen Wahlen im Kanton Zürich. Plötzlich waren es SVP-Politiker, die sich ärgerten, dass im Wahlkampf diffuse Ängste bewirtschaftet wurden und so zu einem Triumphmarsch der grünen Parteien führten. Dies nachdem die gleichen Politiker dank derselben Masche – oder besser Angstmache – jahrelang von Wahlerfolg zu Wahlerfolg schritten.

Auch wenn Angst ein wichtiger Treiber in der Politik ist, sollte man diese zu überwinden versuchen, sogar in einem Wahljahr. Egal ob rechts oder links im Parteienspektrum: Politik reagiert mit neuen Regeln und Gesetzen auf Ängste, um ihre Tatkraft unter Beweis zu stellen. Regulierungen sollen Sicherheit vermitteln und jedes mögliche Risiko minimieren. Zeichen einer Vollkasko-Mentalität.

Die einzelnen Massnahmen sind für sich genommen zwar häufig durchaus vernünftig und man kann kaum etwas gegen sie einwenden. In der Summe hingegen engen sie uns immer stärker ein. Und eines ist gewiss: Auch wenn eine Angst mittels Regulierung in die Schranken gewiesen ist – die nächste kommt bereits um die Ecke. Es bleibt daher nur, mit gewissen Ängsten zu leben. Die vermeintliche Eindämmung der Risiken ist die eine Seite der Medaille, der Verlust unserer Freiheit die andere. Und letztere lässt sich nur schwer wiederherstellen.

Ob Ausländer, Klimawandel, Digitalisierung oder Arbeitslosigkeit: Nicht nur die Politiker, sondern auch die Stimmbürger und Medien sollten kühlen Kopf bewahren und Themen weder skandalisieren noch Herausforderungen zu Katastrophen erhöhen. Ängste zu bewirtschaften ist einfach, aber wenig zielführend. Fundiert Vor- und Nachteile abwägen und entscheiden mag weniger Aufmerksamkeit bringen, ist aber langfristig die bessere Lösung. Also halten wir es besser mit dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der einmal sagte: «Das Einzige was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.»

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